Wie schreibst Duden?

Schriftsetzer Meister & Lektor Hans-Hermann Stocklassa

Der Beitrag aus der DRUCKVERKOSTUNG 2 2021

Konzentration! Über einen Lektoren schreiben erfordert satte Kenntnisse der deutschen Rechtschreibung. Hoffentlich ist alles bisher korrekt geschrieben. Puhh. „Ich korrigiere nach Empfehlung des Dudens. Was heißt das? Ein Beispiel: mithilfe meiner Lesebrille. Das wäre richtig geschrieben, aber der Duden empfiehlt mir mithilfe meiner Lesebrille.“

So erklärt unser Hans-Hermann Stocklassa das Korrekturlesen. Mit mittlerweile stolzen 78 Jahren schaut der Schriftsetzer- Meister auf einige üble Schul-Diktate in seiner Jugend zurück. „Wenn es in der Volks- oder Mittelschule hieß, holt die Diktathefte aus dem Schrank, hätte ich auch lieber gleich raus an die frische Luft gehen können. Nach einer wiederholten 5 im Diktat flatterte dann der blaue Brief ins Haus und ich bekam Nachhilfe“, erinnert sich unser Hans-Hermann schmunzelnd. Eine pensionierte Lehrerin half dem Jüngling aus dem 2 km entfernten Nachbarort Sülze auf die orthografischen Sprünge. „Meine Mutter war Heidjerin, wir sprachen Plattdeutsch zu Hause, keine einfache Grundlage für eine korrekte Schreibweise, erkannte damals die Nachhilfelehrerin sofort.“ Dem Mann dieser Lehrerin verdankt Hans-Hermann auch seinen späteren Beruf. „Was will der junge Mann denn mal lernen? Schriftsetzer ist doch ein interessanter Beruf!“

1960 ging es los bei der Celleschen Zeitung. Schriftsetzer, der heutige Mediengestalter, die Vorstufe für den Druck. Damals noch alles von Hand-Buchstaben aus Blei, Antimon, Zinn in Setzkästen pro Schriftart und Schriftgröße. „In einem Setzkasten waren 125 Fächer. Wir arbeiteten nach dem Didot- Punktesystem, nicht dem metrischen System. Ich konnte blind in die Kästen greifen und den richtigen Buchstaben finden“ freut sich Hans-Hermann beim Gedanken an die alten Zeiten. Doch das mit dem üblen Diktateschreiben verfolgte ihn. Jede Woche gab es in der Berufsschule in Celle ein Diktat. Dass er sich enorm verbesserte, ist klar, wenn man erfährt, dass er zehn Jahre später an der Privatfachschule der Druckindustrie in Biberach seine Meisterprüfung zum Schriftsetzer-Meister mit „sehr gut“ abschloss und er später sogar dort als Fachlehrer anfangen sollte. Dies tat er nicht. Zum Glück für uns. „Den Stocklassa“, wie Hans-Hermann sich gern selber nennt, hielt es in unserer schönen Südheide.

Im Mai 60, mit 17 Jahren lernte er einen in der Nähe von Sülze stationierten britischen Soldaten kennen. Dieses Ereignis prägt bis heute das Privatleben des umtriebigen Südheidlers. Die Reiselust, das Fernweh war geweckt und so ging es seit 1960 bereits über 70 Mal nach England. Wiltshire, Buckinghamshire, Norfolk und natürlich London. Dorthin sogar 2–3 Mal im Jahr. Als leidenschaftlicher England-Fan ist Hans-Hermann Mitglied in vielen Clubs und Vereinigungen. Seit 15 Jahren zum Beispiel Mitglied im Freundeskreis Chelsea Pensionäre. Bekannt aus dem TV in ihren traditionellen roten Uniformen. Hier traf er bei der Einladung zum „Founders Day“ sogar einmal auf Prinz William. „England ist mein Land!“ Seine vielen Freundschaften nach England sind für ihn eine echte Familienerweiterung geworden.

Umtriebig war der Stocklassa, aber nicht nur im Vereinigten Königreich. Zwei Mal in Tibet, Himalaya, Südamerika, Afrika, Malaysia, Sumatra, Nepal, Kolumbien, Ecuador, Peru, die damalige Sowjetunion und einiges mehr. Eine besondere Erinnerung stammt aus 2013, als er vom Dalai- Lama höchst persönlich eine Kata, einen Freundschaftsschal als Höflichkeitsgeste mit persönlichen Segenswünschen überreicht bekam. Durch seine vier Patenschaften über die Deutsche Tibet-Hilfsorganisation war Hans-Hermann Stocklassa bekannt mit der damaligen Leiterin Irmtraut Wäger. Diese trug ihm auf, den Dalai-Lama zu grüßen, bei einer Ansprache in Hannover. Um zwischen 4000 Anhängern die Grüße auch überbringen zu können, schrieb Stocklassa seine Grüße auf ein Transparent: „Tashi Delek, Your Holiness, Heartfelt greetings, kindest regards, from Amala Wäger!“ Dieser Gruß war nicht übersehbar und wurde mit dem weißen Schal des Dalai-Lama belohnt. Im Juli 1975 begann dann seine Karriere bei der guten alten „Missionshandlung Hermannsburg“, aus der die MHD Druck und Service GmbH entstand. „Damals arbeitete ich noch am kleinen Küchentisch, die Arbeit war sehr abwechslungsreich in der Druckerei. Es machte mir immer viel Spaß!“ In all den Berufsjahren musste er sich viel fortbilden, wie zum Beispiel den Fotosatz hinzulernen, denn die Technik veränderte sich rasant. In den 80er- Jahren übernahm immer mehr der PC die Satzarbeiten und das Layout. Als Leiter der Abteilung jedoch spezialisierte sich unser Stocklassa auf das Lektorat, welches er auch seit Renteneintritt 2003 für uns weiterhin fest im Korrektur-Griff hat.

Eine Publikation, welche auch heute noch in unserem Hause gedruckt wird, begleitet ihn seit Jahrzehnten. Die LUKI – das Kirchenblatt der selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche läuft unter MHD als Verlag. Doch welche Fehler lassen denn bei einem Lektoren sofort Gänsehaut entstehen? „Traurig ist, dass die Leute kein Eszett mehr kennen. Gruß, Fußball, alle meinen nun, dass es nach der Rechtschreibreform nur noch ein Doppel-S gäbe. Dabei ist das Eszett doch ein schöner, alter Buchstabe“, antwortet Hans-Hermann ein wenig wehmütig mit Blick auf alte Regeln. Der Dudenliegt für seltene Begriffe vorsichtshalber immer in seiner Nähe, wenn er mit Lesebrille und spitzem Stift ans Werk geht. Lektoren-Kürzel, die Zeichen des Lektorates, sind eine Welt für sich. Hier müssen die Mediengestalter geschult sein, um die Korrekturen anhand der Kürzel auch richtig umzusetzen. Die häufigsten Fehler sind nachvollziehbar: getrennt oder zusammen? Groß oder Kleinschreibung? Da hilft auch oft kein Word Rechtschreibprogramm, denn zusammengesetzte Wörter sind oft kniffelig.

Der Profi lässt nun ausrichten: „Man findet immer noch etwas! Auch der Leser! Erst recht, wenn verschiedene Schreibweisen in Ordnung sind.“ Also nicht verzweifeln, die inneren Werte zählen ja bekanntlich mehr als das Äußerliche!

Zu den Bildern:

Traditioneller Afternoon Tea im „The Palm Court“ im Hotel Ritz in London mit langjährigen Freunden des Freundeskreises Chelsea Pensionäre.

Die Hände von Hans-Hermann bei der Arbeit.

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